Martin
Geboren am 4. Juni 1958 als letztes von drei Kindern in Libyen, verbringt Martin wegen der berufsbedingten Auslandsaufenthalte seines Vaters den grössten Teil seiner Kinder- und Jugendjahre im Ausland: zunächst in Libyen, später in Holland (Den Haag). Zu seinem Leidwesen und grossem Kummer wächst er praktisch als Einzelkind auf, da seine Geschwister meistens in Internaten in der Schweiz sind. Auch Martin verbringt seine letzten Schuljahre in einem Schweizer Internat, wo er mit der Matur abschliesst.
Er versucht in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und beginnt ein Geologiestudium, stellt dann aber fest, dass das doch nicht das Richtige ist und wirft nach einigen Semestern das Handtuch.
Die Lehre zum Zimmermann, die er dann macht, schliesst er erfolgreich ab. Und das war wahrscheinlich genau das Richtige für ihn: Martin war ein Macher, einer, der nicht lange fackelte sondern anpackte! Rumsitzen und Fernsehgucken z.B. waren Fremdworte für ihn. Seine Berufstätigkeit verbringt er dann auch im Bereich des Bauwesens. Zum Schluss wagt er den Schritt in die Selbständigkeit, hat wohl auch schon erfolgreich für Kunden gearbeitet.
An Martin ist sicher ein begnadeter Innenarchitekt verloren gegangen. Wer jemals Gelegenheit hatte, seine letzte Wohnung zu sehen, staunte nicht schlecht: Hatte er doch eine 1-Zimmerwohnung geschickt und ansprechend in eine Mehr-Zimmer-Villa verwandelt. Ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, in dem er problemlos durch eine erfinderische Konstruktion 20 Leute bewirtete, ein abgetrennter Bereich war sein Schlafzimmer – der Anblick von 2 Schaufensterpuppen trösteten ihn über die Abwesenheit von weiblicher Gesellschaft hinweg. Der Eingangsbereich – ein Museum, in dem er seinen Sand ausstellte. Das Sammeln von Sand aus aller Welt war sein Hobby. Das zweite Hobby war das Basteln, aber nicht im Kleinen am Küchentisch sondern auch hier musste es immer etwas Grosses sein. So baute er z.B. zusammen mit Hans W. ein Flugzeug für Kinder. Ein Arbeits“zimmer“ war natürlich auch vorhanden. Und seine Terrasse! Ausgestattet mit Strandkorb, unendlich vielen Vogelhäuschen und anderen Dingen, bewirtete er auch hier – immer in grosszügigster Weise eine Vielzahl von Gästen.
Auch sozial und politisch engagiert sich Martin. Er ist eine Zeitlang Bürgermeister von Grossaffoltern und später Präsident der Gruppe Bauarbeiter & Zimmerleute, GBI Biel-Seeland.
Martin und die Frauen
Martin war ein Charmeur. Die Frauen liebten ihn, gab er doch jedem weiblichen Wesen das Gefühl, einzigartig und etwas besonderes zu sein. Aber leider hielten die Beziehungen nicht. Martin hat mal zerknirscht gesagt, dass sich sein Leben alle sieben Jahre ändern würde…
Da war zunächst einmal Anita, mit der er erst zusammenlebte und ein Haus umbaute, und dann mit einem grossen Fest heiratete. Leider hielt die Ehe nicht. Danach wurde er von extremen Selbstzweifeln geplagt, erholte sich dann aber wieder.
Am Fest anlässlich des 70. Geburtstags seines Vaters überraschte er dann die ganze Familie mit der Tatsache, dass er wieder geheiratet hatte. Dieses Mal still und heimlich: Lis Fuoss. Mit ihr zog er nach Grossaffoltern, wo er sich wieder ein Haus umbaute. Seine Töchter, Nathalie und Virginie, wurden geboren und eigentlich hätte alles schön sein können…doch leider hielt auch diese Ehe nicht, die Scheidung wurde vollzogen.
Danach wurde das Leben ziemlich kompliziert: Arbeiten und an den Besuchswochenenden die Kinder abholen, mit ihnen zunächst nach Biel, später nach Zürich, wohin es ihn beruflich verschlagen hatte, zu fahren und sie wieder nach Hause zu bringen. Es war sicher nicht einfach, geklagt hat er aber nie.
Später lernte er Claudia kennen, mit der er einige Jahre zusammenlebte (Waren es wieder 7?). Die ganze Familie hat es sehr bedauert, als auch diese Beziehung zuende ging.
In der Folge gab es dann noch Beate, die mit ihm seine Schweinegrippe durchstand, aber dann auch von der Bildfläche verschwand. Vielleicht erinnert noch das Schloss, das die beiden an einer Brücke in Zürich anbrachten, an diese Liebe…
Seine grosse Liebe…
… galt aber natürlich seinen Töchtern. Besonders auf Nathalie, mit der er auch in den letzten Jahren intensiven Kontakt pflegte, war er sehr stolz. Nicht minder geliebt hat er aber natürlich auch Gini.
Martin hatte sich sehr auf sein Rentnerdasein in Thailand gefreut und fast von nichts anderem mehr geredet, aber nun, es hat nicht sollen sein...
The End
Anfang März begab Martin sich ins Spital Bülach, weil er sich den Arm ausgekugelt hatte. Der Versuch, diesen einzurenken, schlug fehl. Wahrscheinlich wegen der unerträglichen Schmerzen wollte man ihn dann sedieren, aber auch das misslang: Statt in der Vene verteilte sich das Narkosemittel im ganzen Arm. Er wurde dann stationär aufgenommen und in ein Zimmer mit einem Covid19-Verdachtsfall gelegt, der sich bestätigte. Er wurde mit der Auflage, sich in häusliche Quarantäne zu begeben, entlassen. Zuhause stellten sich in der Folge Symptome ein und es ging ihm zunehmend schlechter. Als es nicht mehr ging, fuhr er wieder ins Spital. Er kam dann, nachdem man ihn einige Stunden unbehandelt liegen liess, ziemlich schnell in Intensivpflege. Trotz intensivster Bemühungen der Ärzte und Pflegerinnen der Intensivstation verstarb Martin nach einigen Wochen des Kampfes im Beisein seiner Töchter.
Ein Leben, dass nicht zuende gelebt werden durfte, war damit ausgelöscht.
Was bleibt, sind die Trauer und die Erinnerungen…